- Deutsches Reich: Gründung
- Deutsches Reich: GründungDie französische Kriegserklärung an Preußen am 19. Juli 1870 ließ in Deutschland ein verbindendes Gefühl des gemeinsamen nationalen Schicksals entstehen, das sich im Kriegsverlauf zum Patriotismus steigerte.Bismarck konnte nun die deutsche Nationalbewegung in seine Einigungspläne mit einbeziehen. Noch während der Kampfhandlungen nahm er Gespräche mit den süddeutschen Staaten über deren Beitritt zum Norddeutschen Bund auf. Es gelang ihm, die Delegationen der süddeutschen Staaten voneinander zu isolieren und mit jedem Staat getrennt über die Gestaltung des zukünftigen deutschen Reiches zu verhandeln, wobei er vor allem Bayern weitgehende Zugeständnisse hinsichtlich der Hoheitsrechte machte. Erst nachdem in zähen Verhandlungen Bayern und Württemberg eine Reihe von Reservatrechten (Militärhoheit im Frieden, eigene Post- und Eisenbahnverwaltung) zugesprochen worden waren, fand sich der bayerische König bereit, den offiziellen Antrag an den preußischen König zu richten, aus der Hand aller deutschen Fürsten die Kaiserkrone entgegenzunehmen.Mit der Wiederaufnahme des Kaisertitels ging Bismarck auf die nationalen Gefühle des Bürgertums ein, das seit 1848/49 die deutsche Einheit mit dem Kaisertum verband. Gleichzeitig hatte der Titel »Deutscher Kaiser«, den der bayerische König Ludwig in seinem Brief benutzte, für Bismarck den Vorteil, dass die empfindlichen eigenstaatlichen Gefühle vor allem der Bayern geschont wurden und die preußische Vormachtstellung in dem neuen Reich verhüllt wurde. Der preußische König allerdings musste erst dazu überredet werden, die Kaiserkrone und den nach seiner Meinung nichts sagenden Titel »Deutscher Kaiser« anzunehmen. Für ihn war das preußische Königtum das gewachsene und von Gott verliehene Herrscheramt, dessen Glanz nicht durch den neuen Titel verdeckt werden sollte. Am 18. Januar 1871 fand im Spiegelsaal des Versailler Schlosses die Kaiserproklamation statt, während noch die deutschen Armeen vor Paris standen. Der Maler Anton von Werner hat das Ereignis in einem Monumentalgemälde festgehalten. Es zeigt den Augenblick der Ausrufung des preußischen Königs zum Deutschen Kaiser durch den Großherzog Friedrich von Baden, nachdem Bismarck gerade (in weißer Kürassieruniform) die Proklamation verlesen hatte. Das Bild gibt sehr deutlich den Charakter der Reichsgründung wieder. Es ist eine Versammlung von Fürsten und hohen Generälen, die ebenfalls anwesende Delegation von Abgeordneten des Norddeutschen Reichstags erscheint im Bilde nicht. Bismarck hatte mit der Reichsgründung weitgehend die Wünsche der meisten nationalgesinnten Deutschen erfüllt, aber er vollzog diesen Akt ohne aktive Teilnahme der Volksvertretung.
Universal-Lexikon. 2012.